New Work und Digitalisierung: Drei Fragen an Thomas Sattelberger
Wie etablieren sich New Work und Digitalisierung in unserer Arbeitswelt? Welche Einflüsse hat und wird die Corona-Pandemie auf diese Entwicklung haben? Das sind spannende Fragen, die weit über eine Diskussion um Home Office hinausgehen. Wir haben uns darüber mit Thomas Sattelberger, Sprecher der Fraktion der Freien Demokraten für Innovation, Bildung und Forschung im Deutschen Bundestag und zuvor u.a. Personalvorstand bei der Deutschen Telekom und der Continental AG, unterhalten.
Er wird bei der HR Online Expo vom 15.-17. September einen Vortrag zum Thema „New Work im Strudel: Opfer oder Esoterik in der Corona-Rezession“ halten. Wir haben ihm im Vorfeld drei Fragen gestellt.
HERR SATTELBERGER, SIE POSTULIEREN MIT IHREM VORTRAGSTITEL, DASS NEW WORK IN EINEM STRUDEL SEI. KÖNNEN SIE DIESE THESE KONKRETISIEREN UND BEGRÜNDEN?
Schon vor Corona und erst recht in Corona Zeiten existieren ideologische Grabenkämpfe innerhalb der New Work-Szene. Das eine Extrem ist ein reiner Reparaturbetrieb des alten Arbeitssystems, also wie wir Arbeit angenehmer und besser im Betriebssystem 1 machen können, das andere Extrem fordert quasi neo-marxistisch den Systemwechsel zu einem anderen Betriebs- bzw. Gesellschaftssystem mit dann neuen, vermeintlich emanzipatorischen Arbeitsformen. Ich stehe wie so oft für einen dritten Weg von New Work, dass tatsächlich „Neue Arbeit“ geschaffen wird. Der Übergang zur Digitalökonomie schafft neue Arbeitsspektren von Data Scientists über Influencer bis hin zu Digitalkünstlern. Komplett neue Berufsbilder, die sich aufgrund eines Neudenkens von Arbeit herausbilden. Frei nach Frithjof Bergmann: Mach das, was du wirklich willst. Grabenkämpfe der Szene sind für die Wirtschaft überhaupt nicht nachvollziehbar.
Wir brauchen keine esoterischen New Work Zirkel, sondern eine große Kooperations-Plattform, die den unterschiedlichen Perspektiven Raum gibt und Lösungen aus unterschiedlichen Sichtweisen ermöglicht. Eine alleinige Wahrheit zu New Work gibt es nicht.
Die Corona-Pandemie hat die Wirtschaft hart getroffen. Doch ist sie nicht auch eine Chance für Digitalisierung und New Work?
Hier gibt es ein Problem. Gerade jetzt in der Corona-Krise reduziert sich für die Kleingeister das Thema New Work lediglich auf oberflächliche Themen wie Home Office oder Home Schooling. Das ist viel zu kurz gedacht. Denn New Work hat ein viel größeres Spektrum. Es geht um die Schaffung und Etablierung digitaler Geschäftssysteme und nicht nur um die Verlagerung der Arbeit vom Büro ins Digitale.
Erweitern wir das Spektrum, dann reden wir beispielsweise über Plattformökonomie, Big Data gestützte Biotechnologie-Gründung oder neue Smart Services im Bereich der Medizin. Digitalisierung wird immer wieder verzwergt auf interne Prozessoptimierung oder einfachen Glasfaserausbau. Stattdessen geht es um eine Gründer- und Innovations-Offensive. Erst dann hat man tatsächlich die wirtschaftlich, aber auch gesellschaftlich packende Perspektive von New Work.
Denn New Work braucht New Business. Altes Business und New Work – das funktioniert nicht ausreichend. Das ist eben nur Reparaturbetrieb des alten Betriebssystems. Also konkret: Digitalisierung und New Work dürfen nicht nur auf Home Office oder digitale Prozesse verkürzt werden. Denn dann kratzen wir wieder nur an der Oberfläche.
Wie können wir uns die Arbeitswelt in einer Post-Corona-Zeit vorstellen? Ist das vorauszusagen oder sind Spekulationen darüber lediglich utopisch?
Ich glaube an drei Szenarien, die in einem Systemwettbewerb miteinander konkurrieren werden. Zum einen haben wir den Return to the Old Normal. Die alte Arbeitswelt wird mit ein bisschen mehr IKEA-Möbeln und etwas Home Office angereichert. Sozusagen kosmetisches New Work.
Zum zweiten New Work als effizienzgetriebenes Einsparprogramm von Bürofläche seitens der Unternehmen. Da gibt es enorme Einsparpotentiale.
Das dritte Szenario ist eine Innovations- und Gründerbewegung, bei der technologische, organisatorische und soziale Innovation gleichberechtigte Drillinge sind.
Herr Sattelberger, vielen Dank für das Gespräch.