Wie sollten Unternehmen in der aktuellen Krise agieren? Im Gespräch mit Marc Wagner

Aktuell sind agile Unternehmensstrukturen und der flexible Umgang mit Arbeitsorganisationen von essentieller Bedeutung. Maßnahmen von New Work tragen in der Krise maßgeblich dazu bei, einen geordneten Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Wir haben uns darüber mit Marc Wagner, unterhalten. Er ist ausgewiesener Experte rund um die Themen New Work und Company ReBuilding und wurde 2018 als Top HR Influencer (Personalmagazin) und 2019 unter die Top 10 New Work Pioneers (Pathfinder Award Workpath) gewählt.

Marc Wagner begleitet seit mehr als 20 Jahren Unternehmen bei der Gestaltung der Digitalen Transformation – sei es aus einer finanziellen oder kulturellen Perspektive – und schöpft dabei immer wieder neue Inspiration aus eigenen Projekten und dem Austausch mit seinem hervorragenden Netzwerk internationaler Top Experten und Leader.

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Marc Wagner, Experte für New Work und Company ReBuilding, Quelle: Marc Wagner

Hallo Marc, wie siehst Du momentan die Lage für Unternehmen?

So hart es klingt, aber aufgrund dieser Krise wird sich in der Unternehmenswelt die Spreu vom Weizen trennen. Denn da sind diejenigen, die sich durch eine entsprechende Infrastruktur bereits gut aufgestellt haben und virtuelle Zusammenarbeit ohne Probleme möglich machen können. Diese Unternehmen werden die Krise gut überstehen. Dann gibt es die Betriebe, die die Potentiale der Digitalisierung zwar bereits erkannt, die Umsetzung bislang aber auf die lange Bank geschoben haben. Die werden jetzt reagieren und geplante Konzepte umsetzen. Das wird zwar Schmerzen verursachen, aber auch diese Unternehmen werden durch die Krise durchkommen. Tja, und dann sind noch die Unternehmen da, die ich die Ablehner nenne. Diejenigen, die immer noch den klassischen, starren Prinzipien folgen und in Sachen Führung und Digitalisierung den Anschluss verschlafen haben. Diese Unternehmen werden es schwer haben und langfristig vermutlich auch scheitern.

Kann man das so pauschal sagen?

Ein wenig relativieren muss man schon. Natürlich ist das auch immer branchenabhängig. In manchen Betrieben kann ich die Mitarbeiter einfach nicht ins Home Office schicken – da ist physischer Kontakt unumgänglich. Aber auch dort braucht es, gerade jetzt, neue Gedanken von Geschäftsmodellen. Genau da liegt das Spannungsfeld – kurzfristige Überlebensfähigkeit sicherstellen und gleichzeitig das Unternehmen und Geschäftsmodell langfristig robust aufstellen.

So hart es klingt, aber aufgrund der Krise wird sich die Spreu vom Weizen trennen.

Wie beurteilst in Zeiten der Krise den Umgang mit Home Office generell?

Remote Work oder auch Home Office poppen gerade an allen Ecken und Enden hoch. Was ich aber oft beobachte ist, dass die lange, die nachhaltige Sicht dabei teilweise verloren geht. Es geht nicht nur darum, singuläre Maßnahmen in die Tat umzusetzen, sondern sich langfristig beispielsweise mit Prozessoptimierung oder Leadership zu beschäftigen. New Work muss jetzt ist die Tat umgesetzt werden, so paradox das auch während einer solchen Krise klingt. Aber wann, wenn nicht jetzt, ist der richtige Zeitpunkt dafür, Geschäftsmodelle einmal ganzheitlich zu betrachten. Denn dabei geht es vor allem um Zukunftsfähigkeit.

Es braucht also so etwas wie eine Dynamikrobustheit?

Menschen, Mitarbeiter, Talente sind der erfolgskritische Faktor in jedem Unternehmen. Das ist unumstößlich. Und wenn Unternehmen nicht in der Lage sind, diese Menschen zu sich heranzuziehen oder sie an sich zu binden, dann sind sie auch nicht mehr in der Lage, dem Wettbewerbsdruck standzuhalten. Die aktuelle Krise ist ein weltveränderndes Ereignis. So deutlich muss man das auch mal sagen. Da reicht es nicht, nur zu reagieren. Stattdessen muss proaktiv agiert werden und zwar mit dem langfristigen Blick in die Zukunft. Eine solche Krise ist nicht einmalig, das wird wieder passieren. Daher müssen Unternehmen jetzt die Chance ergreifen, daraus gestärkt hervorzugehen. So hart es klingt, aber da geht es auch ein wenig um den alten Duktus „Survival of the fittest“ – auch wenn mir die Formulierung nicht wirklich gefällt. Ich muss mich jetzt und sofort bestmöglich auf die neue Situation einstellen. Dann werde ich stärker. Nassim Taleb spricht hier von Antifragilität und Gerhard Wohland von Dynamikrobustheit – dies sind die Themen, um die es jetzt geht.

Also ist New Work für Dich gerade jetzt in der Krise eine Chance?

Eine Krise ist immer auch Innovator und spielt den Ideen von New Work gut in die Karten. Die jetzigen Themen sind doch eindeutig: Wie sorge ich für eine gute Kollaboration jenseits des physischen Zusammenarbeitens. Das ist nicht mehr Nice To Have, sondern existentiell für Unternehmen. New Work beschäftigt sich mit der Frage, welche Auswirkung die Digitalisierung auf die Gestaltung von Zusammenarbeit hat. Und jetzt geht es darum, genau das zu nutzen und in die Tat umzusetzen. Dabei hilft einerseits die nötige Technologie, andererseits aber auch eine Revolution hinsichtlich des Leadership-Gedankens.

Du hast auch gerade den Begriff Antifragilität verwendet. Magst Du diesen Begriff einmal erläutern?

Antifragil sein heißt, dass eine Krise, ein äußerer Schock dazu führt, dass das System stärker wird. Das ist sehr theoretisch. Aber das ist genau der Punkt. Wir haben viele kleine Unternehmen, beispielsweise Fitnessstudios, die jetzt ihre Angebote online stellen und schnell auf die Krise reagieren. Sie entwickeln neue Geschäftsmodelle. Und das ist jetzt das Mittel der Stunde.

STEHT DEM ABER NICHT DIE HÄUFIGE WEIGERUNGSHALTUNG BEI UNS IN DEUTSCHLAND GEGENÜBER?

Vielleicht teilweise. Wir sind an einigen Stellen ein Land der Bedenkenträger. German Angst heißt es ja so schön im englischsprachigen Raum. Allerdings lässt sich hier keine allgemeingültige Aussage treffen. Gerade wenn es um den Umgang mit der Corona-Krise geht, machen wir aus meiner Sicht aktuell ein gutes Bild im internationalen Vergleich. Ein gefühlt besonnenes Krisenmanagement der Politik. Und dies zeigt sich aus meiner Sicht auch in vielen Unternehmen. Wie schon erwähnt, ist es heute entscheidend, proaktiv und jenseits von Einzelmaßnahmen mit der Situation umzugehen. Ein Großkonzern wird dabei anders agieren als kleinere Unternehmen. Viel hängt gerade jetzt von der Stärke der Führungspersönlichkeiten und einer ausgeprägten Umsetzungsfähigkeit ab. Elon Musk und Tesla sind ein gutes Beispiel dafür. Er ist durch viele Krisen gegangen und immer wieder gestärkt herausgekommen. Das ist genau das, was jetzt passieren muss.

Gerade wenn es um den Umgang mit der Corona-Krise geht, machen wir aus meiner Sicht aktuell ein gutes Bild im internationalen Vergleich.

Du siehst hier gerade für den Mittelstand eine große Chance?

Davon bin ich fest überzeugt. Der Mittelstand hat ein enormes Potential und wenn gerade kleinere Unternehmen New Work jetzt richtig verstehen und umsetzen, können sie unfassbar profitieren. Denn die Entscheidungswege sind deutlich kürzer und meiner Meinung nach ist das kreative Potential enorm groß. Es ist die Chance des Mittelstandes zu zeigen, was es kann. Und das tut er ja bereits und liefert viele positive Beispiele, wie man mit der Krise umgeht und sich zudem gesellschaftlich verantwortlich verhält und nachhaltig agiert. Doch auch große Unternehmen zeigen, dass Sie eine Verantwortung jenseits von Effizienz und Shareholder Value haben, wie z.B. SAP oder die Telekom mit kostenlosen Angeboten oder der schnellen Bereitstellung der aktuell überlebenswichtigen Infrastruktur. All dies macht mir sehr viel Mut und mich auch stolz auf die Kraft unseres Landes.

 

Lieber Marc, vielen Dank für das Gespräch.

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Über den Autor

Dominik Laska

Er jongliert gern mit Worten, bei Phrasen und Floskeln bekommt er Zahnschmerzen. Der gelernte Journalist hat sein Handwerk sowohl im Print als auch Online gelernt. Der gebürtige Berliner schreibt für den ATOSS Work Blog über alle Themen moderner Arbeitswelten.

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